Wie man mit der Angst vor dem Krieg in der Ukraine umgeht
2. März 2022Storytelling – Podcast mit Philipp Goller
7. März 2022Was wir von den Olympioniken lernen können – Mentale Stärke, Teil III
Mit Kopf, Herz und Können zum Erfolg: Was wir von den Olympioniken lernen können – mentale Stärke, Teil III
Die Olympischen Winterspiele von Beijing sind zu Ende gegangen. Mit zwölf Goldmedaillen belegt Deutschland den zweiten Rang im Medaillenspiegel nach Norwegen. Die Athletinnen und Athleten haben Spitzenleistungen erbracht – und gleichzeitig gezeigt, welche Faktoren diese Leistung beeinflussen. Denn für einen Platz auf dem Podest kommt es nicht nur auf die Technik und physische Kondition an, sondern ebenso auf die psychische Verfassung, innere wie äußere Einflussfaktoren. Welche Rolle mentale Stärke und Fokussierung, Spaß, Zufriedenheit und das Umfeld spielen, und wie ein förderlicher Umgang mit Erfolgen und Niederlagen aussieht, habe ich in Teil I und Teil II bereits ausgeführt. Im dritten und letzten Teil dieser Serie geht es um Ängste und Selbstvertrauen, Stärkenorientierung und Regeneration:
Erfolgsfaktor Umgang mit Angst
Ob Skispringer hoch oben auf dem Balken der Sprungschanze oder Skifahrer beim Abfahrtslauf, wo es rasant extrem steile Hänge heruntergeht – bei den Athletinnen und Athleten mischt sich in die Gefühle kurz vor oder während ihres Wettbewerbseinsatzes auch Angst. Schließlich riskieren sie ihre körperliche Unversehrtheit im Kampf um den Podestplatz. Das ist eine natürliche Reaktion. Sie sorgt für Respekt gegenüber der Herausforderung und warnt uns vor Risiken. Doch sie kann zum Hindernis werden, nämlich dann, wenn sie nicht mehr im Verhältnis zu der realen Gefahr steht. Dann wird aus Angst Panik oder gar eine dauerhafte Störung. Wenn eine Sportlerin oder ein Sportler einen schweren Sturz erlitten hat, mit gravierenden Verletzungen, dann wird die Erinnerung daran ihre oder seine nächsten Einsätze beeinflussen, wenn nicht gar überschatten. Die Nachbearbeitung solcher Erlebnisse ist deshalb wichtig, um die Emotionen künftig regulieren zu können, wenn sich Bilder vom Sturz vors geistige Auge schieben.
Das gilt auch für Versagensängste von Mitarbeitenden oder Führungskräften, die nach einer verpatzten Präsentation große Angst vorm nächsten Mal haben. Je bewusster und offener Sie mit diesem Thema und damit verknüpften Sorgen und Nöten umgehen, desto schneller bekommen Sie die Situation wieder in den Griff. Hier helfen (mentale) Techniken wie das Visualisieren von Ruhebildern, Imgaination des Best Case Szenario, Fast Phobia, Atemübungen, Schnelle Augenbewegungen oder wingwave®, Klopftechniken (EFT), ABC-Modell (Ellis), Butterfly, Musik, Submodalitäten oder auch das Klopfen der Thymusdrüse. In einer gesunden Dosis jedoch ist Angst geeignet, uns zu aktivieren, unsere Aufmerksamkeit zu steigern und kampfbereit zu sein – und per se nichts Schlechtes.
Weiterlesen: Angst reduzieren
Erfolgsfaktor Identität/Selbstvertrauen
Selbstvertrauen ist die Voraussetzung für sportliche wie berufliche Erfolge. Eine positive Selbstachtung und Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten beeinflussen unsere Handlungen in großem Maße. Sie sind die wichtigsten Grundlagen für eine stabile psychische Verfassung, die es uns erlaubt, auch unter Druck und Stress gelassen zu bleiben, mit Fehlern, falschen Entscheidungen, Niederlagen und Ablehnung durch andere gut umgehen zu können. Selbstvertrauen gibt Zuversicht: Wir wissen, was wir können – und wir können die Stärken und Schwächen von Kolleginnen und Kollegen besser akzeptieren. Die einzige deutsche Starterin im Big-Air-Contest der Snowboarderinnen, Annika Morgan, stürzte beim ersten von drei Sprüngen. Andere sprangen besser. Doch statt Trübsal zu blasen und sich selbst großen Druck beim zweiten Sprung zu machen, trat Morgan locker erneut an und qualifizierte sich mit den nachfolgenden Sprüngen fürs Finale. Befragt nach ihrem Patzer und seinen Auswirkungen, sagte sie: „Ich hatte gar keinen Druck. Es wäre kein Weltuntergang gewesen, es heute nicht ins Finale zu schaffen.“ Morgan besann sich auf ihr Können und relativierte ihren Fehler. Sie verlor sich nicht in Vergleichen, die den Druck enorm erhöht hätten, sondern blieb bei sich. Mehr noch: Sie sah ihre Performance in Relation zum Ganzen – zu bereits erreichten Erfolgen, aber auch zu anderen Dingen, die ihr im Leben wichtig sind. Ein Scheitern ist eben kein Weltuntergang, sondern nur ein Wegweiser.
Auch Eishockey-Bundestrainer Toni Söderholm betrachtet Identität und Selbstvertrauen als wichtigen Erfolgsfaktor: „Über diese Olympiade haben wir uns eine starke Identität aufgebaut. Darin können sich die Spieler wiedererkennen, auf mehreren Ebenen. Daher bin ich zuversichtlich, dass wir vorbereitet sind und uns nicht so stark ablenken lassen, sollte irgendwas passieren. (…) Und es gibt einen gewachsenen Glauben, dass wir Möglichkeiten haben, Großes zu erreichen.“ (Hamburger Abendblatt, 10.2.22). Diesen Glauben können Sie auch als Führungskraft bei Ihren Mitarbeitenden stärken – indem Sie positive Einstellungen vorleben und fördern, realistische Erwartungen bezüglich abzuliefernder Leistung haben, einen gesunden Umgang mit Fehlern pflegen (siehe Teil II) und Ihre Mitarbeitenden stärkenorientiert einsetzen.
Erfolgsfaktor Stärkenorientierung
Victoria Carl gewann Olympiagold im Teamsprint Langlaufen. Ihr Trainer habe ihr vor dem Rennen gesagt: „Ich soll mich auf meine Stärken besinnen.“ Und gab ihr damit Beflügelndes mit auf den Weg zur Goldmedaille. Vor einer Herausforderung an vorhandene Schwächen zu denken, wirkt hingegen wie ein Bremsklotz. Auch Eishockey-Bundestrainer Toni Söderholm sagte zu Beginn der Spiele: „Wir vertrauen nicht auf Glück und Zufall, sondern konzentrieren uns auf das, was uns stark macht.“ (Hamburger Abendblatt, 10.2.22). Eine konstante Verbesserung von Leistung ist in meinen Augen nur möglich, wenn wir uns auf unsere Stärken konzentrieren. Um vorhandene Stärken, Fähigkeiten, Fertigkeiten, positive Eigenschaften, Talente und Ressourcen zu wissen und diese auszubauen, ebnet den Weg zum Erfolg. Und das gilt im Sport wie in der Wirtschaft. Die Stärkenorientierung ist für Sie als Führungskraft mit Blick auf Ihr Können genauso wichtig wie die Konzentration auf vorhandene Stärken von Mitarbeitenden, für die Sie mitunter beim Einzelnen selbst erst ein Bewusstsein schaffen müssen.
Widmen Sie sich einer persönlichen Stärkenanalyse – wer sich seiner Stärken bewusst ist und an ihnen arbeitet, steigert sein subjektives Wohlbefinden und die Erreichung seiner Ziele, gewinnt an Selbstvertrauen und bewältigt leichter Herausforderungen. Lesen Sie hier mehr zur Stärkenanalyse. Und danach betrachten Sie Ihre Mitarbeitenden konkret durch die Brille der Stärkenorientierung – vielleicht legen Sie Aufgaben und Zuständigkeiten bei dem einen oder der anderen neu fest.
Erfolgsfaktor Regeneration
Der russische Paar-Eiskunstläufer Dmitrii Kozlovskii sagt: „Neben dem körperlichen Training und der Verantwortung dafür sollte ein Athlet auch einen verantwortungsvollen Umgang mit seiner mentalen Rehabilitation und Genesung verfolgen. Unsere mentalen Kapazitäten neigen dazu, sich zu erschöpfen.“ Der japanische Eiskunstläufer Kagiyama Yuma hat festgestellt: „Eine Pause zu machen ist wichtig, wenn man nicht in guter Verfassung ist. Ich habe einmal eine Pause gemacht und überraschenderweise konnte ich in meinem Kopf sehen, was falsch war und was repariert werden musste. Wenn du immer bei 100 Prozent bist, übertreibst du vielleicht. Irgendwann musst du dich ausruhen und deine Energie wiederherstellen.“ (olympics.com, 3.2.22). Wir brauchen Pausen, um den Kopf frei zu bekommen und die psychische Gesundheit zu fördern, neue Energie zu tanken, Abstand und Klarheit zu gewinnen. Und das gilt nicht nur für Athletinnen und Athleten, sondern ebenso für Mitarbeitende und Führungskräfte. Neben den Führungsaufgaben und der Verantwortung, die Sie als Führungskraft haben, sollten Sie auch verantwortungsvoll mit Ihrer mentalen Rehabilitation und Erholung umgehen. Bei der Regenerationsfähigkeit geht es um die bewusste Steuerung Ihres inneren Gleichgewichts zwischen Körper und Geist, Arbeit und Erholung, Entspannung und Bereitschaft.
Was dabei hilft, sind regelmäßig ausreichender Schlaf, geistiger Abstand zu den Anforderungen des Jobs in der Freizeit und im Urlaub und Digital Detox im Alltag. Das heißt, handyfreie Zeiten im Tagesablauf zu etablieren und das Handy auch nicht mit ans Bett zu nehmen. Nach einer bestimmten Uhrzeit auch keine E-Mails oder sozialen Netzwerke mehr zu checken, sondern einen bewussten Feierabend zu leben – mit Gesprächen, Bewegung, Kochen, Lesen, Muße usw.
Ich hoffe, Sie konnten dieser kleinen Olympia-Serie den einen oder anderen wertvollen Tipp für Ihre eigene Performance und Ihr Selbstmanagement entnehmen. Der Spitzensport lebt uns in vielerlei Hinsicht vor, wie wir zum Erfolg gelangen können. Dazu finden Sie auch weitere Blogartikel im Archiv. Und eines gilt disziplin- und sportübergreifend für jeden von uns: Kopf gewinnt!
© Ihre Antje Heimsoeth
Weiterlesen: Antje Heimsoeth „Mentale Stärke: Was wir von Spitzensportlern lernen können“, Verlag C.H. Beck, München, 128 Seiten, ISBN-13: 978-3406708343, Preis: 6,90 €
Weitere Bücher und Hörbücher von Antje Heimsoeth: https://antje-heimsoeth.com/shop-buecher-und-mehr/
Seminare zu den Buchinhalten: www.heimsoeth-academy.com
Vortrag zum Buch: https://antje-heimsoeth.com/vortrag-was-wir-von-spitzensportlern-lernen-koennen/
Über die Autorin: Antje Heimsoeth
Ihre berufliche Laufbahn begann Sie als Geodätin. Heute gehört Sie als Expertin für Mentale Stärke, Motivation, Leadership, Veränderung, Selbstführung und Spitzenleistungen und neunfache Buchautorin zu den bekanntesten Mental Coaches im deutschsprachigen Raum. Sie wurde als „Vortragsrednerin des Jahres 2014“ und 2021 ausgezeichnet. Bei Managern und Medien gilt sie als „renommierteste Motivationstrainerin Deutschlands“ (FOCUS). Weltweit tätig. Buch zum Thema: „Kopf gewinnt! Der Weg zu mentaler und emotionaler Führungsstärke“. Springer Gabler.
Infos unter www.heimsoeth-academy.com, www.antje-heimsoeth.com
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